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In vielen Disziplinen der Universität (vor allem in den Humanwissenschaften) wird Interpretationsarbeit geleistet, in unterschiedlichen Gestalten: LiteraturwissenschaftlerInnen analysieren Gedichte oder Romane, Rechtswissen-schaftlerInnen legen Gesetze aus, GeschichtswissenschaftlerInnen interpretieren Urkunden, ExegetInnen suchen nach der Bedeutung von biblischen Erzählungen, PsychologInnen etwa interpretieren Träume, SoziologInnen legen Umfragen aus. Auch die NaturwissenschaftlerInnen entdecken seit einiger Zeit, dass sich in ihrem Gebiet bei weitem nicht alles erklären lässt und dass man bei solchen Erkenntnis-grenzen auf das Problem des Verstehens stösst.
In diesem Sinne stellt Hermeneutik Fragen wie: Was heisst Interpretieren? Wie hängt es zusammen mit Verstehen? Was wird interpretiert? Sind es vornehmlich Texte, oder gibt es auch Interpetation von Bildern? Oder von bestimmten Handlungen in Geschichte und Gesellschaft? In welchem Verhältnis stehen Autor und Ausleger? Kann der Autor anzeigen, wie er sein Werk gelesen haben will, oder kann sich der Ausleger frei im ausgelegten Werk bewegen (nach Umberto Eco, „Lector in fabula“)? Werden der Interpretation auch Grenzen gesetzt, und wenn ja, was wären berechtigte Grenzen, die der Ausleger respektieren muss? Wie stehen die unterschiedlichen Disziplinen zur Aufgabe der Interpretation? Gibt es auch Interpretationsarbeit etwa in naturwissenschaftlichen Disziplinen?
Als Theorie und Praxis der Interpretation und des Verstehens begleitet die Hermeneutik stets diese unterschiedlichen Auslegungstätigkeiten, reflektiert sie kritisch auf ihre Prinzipien, Regeln, Implikationen und Grenzen hin. In diesem Sinne ist jede Interpretin und jeder Interpret in unterschiedlichen Disziplinen auf eine Ausbildung in Hermeneutik angewiesen. Es ist das Ziel des Nebenfachstudiengangs Hermeneutik, eine solche Ausbildung anzubieten.